Hallo Ben. Wir kennen uns bereits seit längerem und halten deine Arbeit zur Sensibilisierung digitaler Medien im Kinder- und Jugendbereich für unermesslich wertvoll. Danke für deinen unermüdlichen Einsatz. Jetzt hast du sogar ein Buch geschrieben, das im Oetinger-Verlag veröffentlicht wurde. Aber erzähl uns doch einfach selbst ein bisschen über das Projekt!
Sehr gerne. Wenn mir vor 2,5 Jahren jemand gesagt hätte „Ben, 2019 stehst du mit deinem Kinderbuch auf der Frankfurter Buchmesse“, dann hätte ich laut losgelacht. Aus einem Traum ist ein Herzensprojekt geworden. Wie kam ich dazu ein Kinderbuch gerade über Digitalität von Kindern zu schreiben? Warum überhaupt ein Kinderbuch? Bringt’s das noch, ein analoges Buch aus Papier (!) in Zeiten des digitalen Klimawandels?
Die Idee kam während der Eingewöhnungsphase unseres ersten Sohnes in der Kita
In so einer Eingewöhnungsphase gibt es verschiedene Stufen. Zumindest in dem Modell, dass in unserer Kita praktiziert wird. Ich war gerade auf der Stufe, bei der ich zwar im Gebäude, aber nicht im Sichtbereich des Kindes sein sollte. Also ging ich in die Kaffeeküche der Erzieher:innen. Neben schlechtem Kaffee, fand ich dort einen gut gefüllten Bücherschrank mit Bilderbuchliteratur vor. Es gab so einiges: Mein Körper gehört mir; Migration und Flucht; Gender; Warum darf dich Tante Jutta nicht auf den Mund küssen, wenn du das nicht möchtest? Sogar Themen wie Demenz bei Oma und Opa; Sucht in der Familie oder Depression waren vertreten. Aber irgendwie fehlte das Thema Smartphones und Tablets. Komisch! Das spiegelte so gar nicht meine gefühlte Realität wider, denn – wenn ich Kinder in der Bahn, in Restaurants oder Cafés sehe – ist das Smartphone von Mama oder Papa meist nicht weit.
„Es gibt keine analoge und digitale Welt. Für uns und unsere Kinder gibt es eine Lebensrealität und die beinhaltet beides.“
Diese „Lücke“ hat mich direkt interessiert. Das darf nicht so bleiben, war mein Gedanke, den ich dann länger in mir trug, nach Monaten fast wieder vergaß und zum Glück dann doch noch einmal hervorholte. Nur um ihn der Techniker Krankenkasse vorzustellen, die dann relativ schnell Begeisterung für die Idee aufbringen konnte.
Schnell kamen wir zu dem Schluss, dass „nur“ ein Kinderbuch nicht ausreichend wäre. Wir wollten ein umfassendes und nachhaltiges Angebot für Kitas, Kinder und Eltern vorhalten, das eine angemessene Digitalkompetenz vermitteln sollte. Diese Idee konnte ich dann auch bei der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS) (https://www.hls-online.org) in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse (https://www.tk.de/techniker/unternehmensseiten/unternehmen/gesunde-lebenswelten/gesunde-kita-2010450) umsetzen. Am Ende kam dann das Projekt DigiKids (http://digikids.online), mit dem Kinderbuch als Teil davon, heraus.
Warum gerade ein Kinderbuch?
Warum nicht? Mein Ziel war es immer, Impulse ganz ohne Stolpersteine und akademisierte Hürden direkt zu den Menschen zu bringen. Deswegen glaube ich nur zum Teil an die Wirksamkeit von schwerverdaulichen Elternratgebern oder textlastigen Infobroschüren. Mit dem Thema „digitale Medien für Kinder“ wollten wir mitten hinein in die Kitas, mitten hinein in die Familien. Eine Vorlesesituation ist dafür prädestiniert.
Wie kann man das Buch zu Hause einsetzen?
Aus meiner Sicht: Wenn ihr, als Eltern, euren Kindern etwas in Zeiten der digitalisierten Gesellschaft mit auf den Weg geben möchtet, dann lest ihnen vor. Laut der Vorlesestudie 2019 tun das 32 % der Eltern in Deutschland zu wenig. Das kann verschiedene Gründe haben, die ich an dieser Stelle gar nicht bewerten möchte. Ich sage nur: Versucht euren Kindern so viel es geht vorzulesen. Dabei ist das Format eigentlich gar nicht so wichtig. Auch ein Wimmelbuch kann zum Vorlesen genutzt werden. Oder ein eBook. Oder ein Kinderbuch auf einem Tablet.
Warum ist Vorlesen so wichtig?
• Vorlesen ist die Grundlage für eine gute Lesekompetenz
• Konzentrationsfähigkeit wird gestärkt
• Kreativität wird gefördert
• Kognitive Fähigkeiten werden weiterentwickelt
• Soziale und emotionale Kompetenzen werden ausgeprägt
„Vorlesen ist gemeinsame und entschleunigte Qualititätszeit.“
Gleichzeitig helfen Geschichten und Bilder dabei, sich mit verschiedenen Themen auseinanderzusetzen. Kinder erhalten auf diese Weise Zugang zu Fragestellungen und Austausch über Themen, mit denen sie sich so nicht direkt beschäftigen würden.
Über das Buch
Montagmorgen bei Lottas Familie: Alle trödeln herum. Papa muss dringend noch E-Mails beantworten und drückt Lotta und ihrem kleinen Bruder Lukas so lange das Smartphone in die Hand. Nicht mal Familienhund Klicks kann die beiden ablenken, so vertieft sind sie in die digitale Welt. Über Homeoffice und Smartphone-Beschäftigung vergessen alle die Zeit. Nur Klicks nicht. Als sie dann doch noch, kurz vor knapp, in die Kita fahren, passiert es: Klicks geht verloren! Wie finden sie den Hund nun wieder? Lotta ist untröstlich. Kann da eine App auf Papas Handy helfen oder braucht es dafür etwas anderes?
Diese Geschichte ist ein ‚fantastischer Mitmacher‘ und erzählt von Lotta, die mit einem Lachen lernt über den Bildschirmrand von Papas Smartphone hinauszublicken.
Altersempfehlung: ab 4 Jahren
ISBN: 978-3-7891-1351-2
Erscheinungstermin: 23.09.2019
Seiten: 28
Verlag: Verlag Friedrich Oetinger
Aktuell arbeiten wir an einem interaktiven Vorleseformat – extra für Kitas und Kindergärten. Lotta und Klicks eignet sich auch wunderbar als Einführung in eine Themenwoche o.ä., wenn es z.B. um den Umgang mit Medien in Kitas geht.
Noch ein paar Infos zu Ben
Benjamin Wockenfuß ist Social Media Manager, Suchttherapeut und Sozialpädagoge. Er leitet das Bundesmodellprojekt DigiKids, ein Digital-Chancen-und-Grenzen-Projekt für Kinder im Kindergarten. Benjamin Wockenfuß ist Papa von mittlerweile drei Jungs und lebt in Bonn, kurz vorm Wald. Als Coworker, Speaker und Dozent ist er bundesweit unterwegs.
Was haltet ihr von digitalen Impulsen für Kinder in der frühen Kindheit? Ben freut sich über eure Meinung. Unter hallo@wknfss.de könnt ihr direkt mit ihm in Kontakt treten.